Schicksalsschlag nach Zeckenbiss: „Es verändert das Leben von heute auf morgen“. Dirk Abel ist Balingens Oberbürgermeister und wohnt mit seiner Familie in Mössingen. Die schwere FSME-Erkrankung der Tochter Emmi bewegte seine Frau und ihn zur Gründung einer Stiftung.
von Benjamin Breitmaier
Es fühlte sich an wie eine schwere Grippe, nach ein paar Tagen wieder vorbei. Emmi wollte sogar zurück in die Schule. Doch es war keine Grippe. Und die Welt, die sie kannte, hörte auf sich zu drehen. Balingens Oberbürgermeister Dirk Abel wohnt mit seiner sechsköpfigen Familie in Mössingen. Nach einer schweren FSME-Erkrankung mit starker Gehirnentzündung, ausgelöst durch einen Zeckenstich Ende März 2023, leidet die damals 13-jährige Tochter am sogenannten Locked-In-Syndrom. Mit ihrer Außenwelt kann sie nur eingeschränkt über ihre Mimik und durch Augenblinzeln kommunizieren. Heute kämpfen Iris und Dirk Abel dafür, die Not von Menschen mit neurologischen Schäden zu lindern. Die Stiftung, gegründet am 22. Dezember 2024, trägt den Namen ihrer Tochter: die Emmi-Stiftung.
„Es verändert das Leben von heute auf morgen.“ Dirk Abel sitzt mit ernster Miene in der Mössinger TAGBLATT-Redaktion, um über seine Stiftung zu sprechen. „Wir wussten am Anfang nicht, was das bedeutet.“ Ob die Tochter wieder gesund wird? Es war eine Nacht im März vor zwei Jahren, die das Leben der Familie erschütterte. Der Weg zur Klinik in Tübingen. Emmi konnte sich kaum noch wach halten.
Es folgten Wochen der Ungewissheit. Lebensgefahr. „Wir hatten noch Hoffnung, dass alles wieder normal wird.“ Dann die MRT-Bilder. Schwere Hirnschäden. Emmi wird nicht mehr so sein, wie sie war. Die Ärztin hatte Tränen in den Augen, berichtet Abel. Nach zwei Monaten wird Emmi bis Anfang Dezember 2023 in eine Spezialklinik nach Gailingen am Hochrhein verlegt. Sie muss bis Mitte Oktober 2023 rund um die Uhr beatmet werden. Die nächste, kürzere Station ist das Haus Arche in Kusterdingen, eine Einrichtung für Kinderintensivpflege. Der 22. Dezember 2023: Emmi darf endlich wieder nach Hause.
Und heute? „Man lernt, damit umzugehen, aber der Schmerz bleibt“, sagt Abel. Vor allem, wenn die Erinnerungen aufflammen. „Sie hat das Reiten geliebt, sie hat tolle Bilder gemalt, Klavier gespielt. Das wünscht man sich dann zurück.“
Kleine Momente des Glücks
Doch in all dem Schmerz gibt es sie dennoch, die Momente des Glücks, wenn Emmi lächelt. „Wenn man das Gesicht von früher wieder sieht“. Abel zeigt ein Bild vom Emmi mit ihrer kleinen Schwester. Die beiden lachen. „Da weiß ich, dass sie da ist.“
Er stieß auf breites Verständnis, als er die Krankheit seiner Tochter damals öffentlich machte. „Das war die richtige Entscheidung.“ Frisch Oberbürgermeister sein und Vater einer Tochter mit schwerer Behinderung – es ging und geht, irgendwie. Seine Frau kümmert sich überwiegend um Emmis Pflege. Eine Nachbarin, selbst in der Intensivpflege tätig, die Oma, Freunde und Verwandte – sie helfen. Dazu Physio, Logopäde. Fortschritte werden erzielt. Emmi schafft es wieder, selbstständig zu atmen. Zumindest tagsüber braucht sie kein Atemgerät mehr, das ständig Sauerstoff pumpen muss.
„Betreuer und Mutmacher“ – zum Pflegeteam gehören drei Hunde: Tammi und ihre beiden kleinen Chihuahua-Pekinese Mischlinge Fanni und Manni. „Vor allem Fanni, sie und Emmi haben eine ganz besondere Verbindung“, so Abel.
Schon während des Jahres nach dem Zeckenbiss reifte eine Idee in Iris und Dirk Abels Kopf: Sie wollen Menschen mit ähnlichen Schicksalen das Leben einfacher machen, erträglicher. In den Kliniken traf die Familie auf Menschen, die Ähnliches durchmachen mussten. Sie kämpfen für Barrierefreiheit, für spezielle Maschinen, die manchmal nicht von der Kasse übernommen werden, brauchen Therapien, die es zu finanzieren gilt.
Eine Stiftung auf drei Säulen
Es sind diese Geschichten, die das Ehepaar derart bewegen, dass sie eine Stiftung gründen. „Wir sind noch in einer relativ privilegierten Position“, sagt Abel. Das Haus wurde schon barrierefrei gebaut. Es gibt ein Auffangnetz, das nicht jedem in einer ähnlichen Lage zur Verfügung steht.
„Wir wollen zeigen, dass man Menschen mit einem Pflegegrad von 5 zu Hause pflegen kann“, sagt Abel, im Kreise der Familie. Natürlich könne ein Pflegeheim auch die richtige Entscheidung sein, aber vielleicht könnte die Stiftung in bestimmten Fällen dazu beitragen, den Alltag in den eigenen vier Wänden zu bewältigen.
Die Stiftung gibt es mittlerweile seit einem halben Jahr. Abel: „Wir haben schon einige Spenden und Zustiftungen erhalten.“ Sie verfolgt drei Ziele. Zum einen soll Menschen mit neurologischen Erkrankungen und deren Familien geholfen werden, zum anderen soll die Stiftung auch entsprechende Forschungs- und Rehaeinrichtungen unterstützen. „Es ist wirklich beeindruckend, was die Ärzte und das Pflegepersonal leisten“, sagt Abel, aber oft stünden Betten leer, weil es einfach kein Personal gebe.
Der dritte Pfeiler ist die Unterstützung von Tierschutz und Tiertherapien. Abel: „Weil Emmi von klein auf schon immer sehr tierliebend war.“ Bis Ende September sollen vom fünfköpfigen Vorstand die ersten Projekte in allen drei Bereichen ausgesucht werden. „Wir haben schon die ersten Anfragen von Familien und Einrichtungen und auch Ideen für den Tierschutz.“
Die Emmi-Stiftung
Die Emmi-Stiftung ist eine Treuhandstiftung unter dem Dach „Ich stifte Zukunft“ der Sparkasse Zollernalb. Spenden oder auch Beiträge zum Stiftungskapital, sogenannte Zustiftungen, sind möglich per Überweisung an die IBAN DE47 6535 1260 0134 0760 96. Angegeben werden sollte, ob es sich um eine „Zustiftung“ oder „Spende“ handelt. Spenden können direkt für Projekte verwendet werden, Zustiftungen erhöhen das Stiftungskapital. Weitere Informationen gibt es unter www.emmi-stiftung.de.