Artikel im Reutlinger Generalanzeiger

Dirk Abel, der in Mössingen wohnt und Oberbürgermeister in Balingen ist, gründet eine Stiftung für neurologisch kranke Menschen. Dazu bewegte ihn ein herber Schicksalsschlag: die schwere FSME-Erkrankung seiner Tochter.

Von Ifigenia Stogios

 

Mössingen

Das Jahr 2023 wird der Oberbürgermeister Balingens, Dirk Abel, wohl nie vergessen. Es war ein Jahr voller Gegensätze. Einerseits wurde er zum Rathauschef gewählt und andererseits erlebte er einen herben Schicksalsschlag. Seine damals 13-jährige Tochter Emily erkrankte an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), nachdem sie eine Zecke gestochen hatte. Beide Ereignisse passierten im März vor zwei Jahren.

Kurz vor dem Stich sei Emily unterwegs auf einer Wiese gewesen. „Sie ging joggen“, erinnert sich ihr Vater. Später entdeckte sie eine Zecke auf ihrer Haut. Zunächst klagte das Mädchen über starke Kopfschmerzen und bekam hohes Fieber. Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand, dass sich die ersten Symptome einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung bemerkbar gemacht hatten. Nach einer Woche ging es ihr wieder deutlich besser. Sie war bereit, wieder in die Schule zu gehen. „Das ist das Gemeine an der Krankheit, dass die anfänglichen Symptome erstmal abklingen“, sagt der Rathauschef. Doch dann fingen wieder die Kopfschmerzen an. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich so dramatisch, dass sie schließlich nicht mehr ansprechbar war. Daraufhin fuhr sie Abel in die Tübinger Klinik. Dort fiel sie ins Koma und musste auf die Intensivstation, wo sie sieben Wochen verbrachte. Selbst die Neurologin, die Emily behandelte, sei überrascht gewesen, über den so schweren Verlauf der Krankheit. „Es war ganz schlimm, wir wussten nicht, ob sie überlebt“, erzählt Abel betrübt.

Die Zeit vor seinem Amtseintritt am 14. Mai 2023 wichen seine Frau und er seiner Tochter auf der Intensivstation nicht von der Seite. „Das wäre nicht möglich gewesen, wenn ich bereits die Verpflichtungen des Oberbürgermeisters wahrnehmen hätte müssen.“ Wie er anschließend mit seinem neuen Arbeitsalltag zurechtgekommen ist? Zu seiner Erleichterung hätten ihm zu Beginn seiner Amtszeit vor allem Bürgermeister Ermilio Verrengia und seine ehrenamtlichen Stellvertretungen den Rücken gestärkt. 

 

Unsere Familie war zerrissen

Aber nicht nur sein Arbeitsalltag war ein neuer, sondern auch der Familienalltag hatte sich drastisch verändert. Nach zwei Monaten auf der Intensivstation kam Emily dann Ende Mai 2023 vollbeatmet in eine Rehabilitationsklinik in Gailingen am Hochrhein. Dort blieb sie bis Anfang Dezember desselben Jahres. „Unsere Familie war zerrissen“, so der OB. Unter der Woche sei Mutter Iris bei Emily gewesen und an den allermeisten Wochenenden Abel. Danach wurde die Jugendliche noch für kurze Zeit in die Pflegeeinrichtung Arche für Kinderintensivpflege in Kusterdingen verlegt. „Es war ein ganz besonderer Moment, als sie kurz vor Weihnachten nach Hause durfte. Seitdem sie bei uns ist, ist es leichter für alle.“ Seither ist Emily voll pflegebedürftig, aber sie macht immer wieder Fortschritte. So hat sie es geschafft, seit vergangenen Sommer, nicht mehr beatmet werden zu müssen. „Im Winter war es besonders anstrengend für sie ohne Beatmung, weil sie das Husten nicht steuern kann.“ Doch Emily kämpft sich durch. „Sie kann zwar nicht mehr sprechen, aber sie kann immer wieder lächeln und kommuniziert mit uns über Augenblinzeln“, berichtet Abel.

Die Großfamilie – Emily hat noch eine Schwester und zwei Brüder – hält in den schweren Zeiten zusammen. Dabei spielen Organisation und Abstimmung eine große Rolle. So kommt es nicht selten vor, dass die älteren Geschwister Elias und Julius Aufgaben übernehmen, um Mutter Iris unter die Arme zu greifen. „Sie kochen auch mal, gehen mit den Hunden Gassi oder helfen beispielsweise Emily hochzuheben.“

 

Betroffene unterstützen

Während der Aufenthalte in Klinik- und Reha haben sich Abel und seine Frau mit Angehörigen vieler Menschen ausgetauscht, die ähnliche Schicksale wie das ihrer Tochter erlebt haben. Ob es um die barrierefreie Umgestaltung von Wohnungen oder um die Finanzierung von speziellen Therapien geht: Die meisten sind auf Unterstützung angewiesen. „Ich habe selber Leid erfahren und möchte anderen Familien helfen.“ So kam er mit seiner Frau Iris auf die Idee, eine Stiftung für neurologisch kranke Menschen zu gründen. Dazu gehören zum Beispiel Menschen wie Emily, die eine Gehirnentzündung erlitten haben, genauso aber auch Menschen, die Krankheiten wie Demenz oder Parkinson haben. Die Stiftung wurde nach Emily benannt. „Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie wichtig die menschliche Zuwendung und Anteilnahme sowie die Solidarität in schicksalhaft schwerer Zeit ist“, sagt Abel.

Er fügt hinzu: „Die Emmi-Stiftung hat das Ziel, Betroffene zu unterstützen. Zudem wird sie Einrichtungen fördern, die sich mit der Behandlung, der Rehabilitation und der Erforschung von Heilungsmethoden neurologischer Erkrankungen beschäftigen.“ Ein besonderer Fokus liegt auf der positiven therapeutischen Wirkung von Tieren, da Emily sehr tierlieb ist. Aus diesem Grund „umfasst der Stiftungszweck auch die Förderung von Einrichtungen und Institutionen des Tierwohls“, so Dirk Abel weiter. „Die Stiftung ist gerade noch wie ein kleines Pflänzchen. Ich betrachte es als Lebensaufgabe, weiter dranzubleiben und zuzustiften, damit sie weiterwachsen kann.“

 

Die Emmi-Stiftung ist eine Treuhandstiftung unter dem Dach „Ich stifte Zukunft“ der Sparkasse Zollernalb. Betreut wird sie seitens der Sparkasse. Zustiftungen oder Spenden sind möglich unter IBAN DE47 6535 1260 0134 0760 96. Im Verwendungszweck ist deutlich zu machen, ob es sich um eine „Zustiftung“ oder „Spende“ handelt. Weitere Informationen gibt es unter www.emmi-stiftung.de; Fragen werden über die E-Mail info@emmi-stiftung.de beantwortet.